«Meine Daten für die Medizin? ­Eindeutig, ja!»

Verknüpfte Forschungsprojekte

Gesundheitsdaten spielen eine immer wichtigere Rolle in der modernen Medizin. Doch was motiviert Patientinnen und Patienten dazu, ihre medizinischen Daten der Forschung zur Verfügung zu stellen? Über diese Fragen diskutierten ausgewiesene Expertinnen und Experten mit dem Publikum am Wissenschaftsfestival Scientifica.

Am Podium anwesend (von links nach rechts): Catherine Jutzeler, Leiterin Biomedizinisches Datenwissenschaften Lab der ETH Zürich, Michael Krauthammer, Professor für Biomedizininformatik am Institut für Quantitative Biomedizin der Universität Zürich, Beatrice Beck Schimmer, Direktorin Universitäre Medizin Zürich, Elisabeth Stark, Prorektorin Forschung an der Universität Zürich, Harald Gall, Dekan Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Zürich, Katrin Crameri, Direktorin Datenkoordinationszentrum SPHN, Basel.
Die Veranstaltung wurde moderiert von Beat Glogger, freischaffender Wissenschaftsjournalist.

Warum soll ich meine Daten zur Verfügung stellen und wie werden sie verwaltet?

Wer in ein Spital eintritt oder ärztlich behandelt wird, wird immer häufiger gefragt, ob die persönlichen medizinischen Daten für die Forschung genutzt werden dürfen. Vielen Patientinnen und Patienten kommen Bedenken: Warum soll ich das tun? Sind die Daten geschützt? Wem kommt das Wissen zugute? Diese Fragen wurden im September 2023 an einer Podiumsveranstaltung mit Scientifica-Besuchenden diskutiert.

Die Besucherinnen und Besucher in der Aula der Universität Zürich wurden zu Beginn der Veranstaltung aufgefordert, einen Online-Fragebogen auszufüllen. Die Hälfte der Anwesenden gab an, dass sie schon einmal Blut gespendet hätten. Zwei Drittel hatten biologisches Material – wie zum Beispiel Gewebeproben – zur Verfügung gestellt. Katrin Crameri, Direktorin Datenkoordinationszentrum SPHN, sagte, dies entspreche auch ihren Erhebungen. Zwischen 60 bis 80 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer, die gefragt werden, unterschreiben einen sogenannten Generalkonsent. Damit geben sie ihr Einverständnis, bereits vorhandene wie auch zukünftig erhobene Daten und Proben der Forschung zu spenden. Wie wichtig eine umfassende Information von Patientinnen und Patienten ist, betonte auch Beatrice Beck Schimmer: «Sie müssen darüber aufgeklärt werden, wie wertvoll ihre Daten für die Forschung sind, und dass diese nicht zweckentfremdet werden», betonte Beatrice Beck Schimmer, Direktorin der Universitären Medizin Zürich.

«Patientinnen und Patienten müssen darüber aufgeklärt werden, wie wertvoll ihre Daten für die Forschung sind, und dass diese nicht zweckentfremdet werden». Beatrice Beck Schimmer (links im Bild) im Gespräch mit Elisabeth Stark

Daten sind aber nur dann aussagekräftig und für die Forschung von Nutzen, wenn viele davon in einheitlicher Qualität vorhanden sind. Ein Garant für diese Datenqualität und Sicherheit ist die von der Universitären Medizin Zürich lancierte «Biomedizininformatik-Plattform» (The LOOP Zurich BMIP). «Diese Plattform wird in den kommenden Jahren für einen Qualitätssprung in der biomedizinischen Forschung am Standort Zürich sorgen», erklärte Elisabeth Stark, Prorektorin Forschung an der Universität Zürich. Die beteiligten vier universitären Spitäler werden ihre erhobenen und nach den geltenden rechtlichen und ethischen Richtlinien anonymisierten Daten auf der neuen Plattform unter sicheren Bedingungen für einzelne Forschungsprojekte zur Verfügung stellen können. Voraussetzung dafür ist ein einheitliches Datenmanagement. Solche Projekte seien mit hohen Kosten verbunden, so Stark. Die BMIP wird mit acht Millionen Franken finanziert. Integriert in die Plattform werden auch die bestehenden Biobanken mit wertvollen Patientendaten unter anderem aus Gewebeproben.

Auch schweizweit gesehen sind die Datensammlungen bisher nicht immer kompatibel und können nicht ohne Weiteres zwischen den Spitälern ausgetauscht und für Forschungsprojekte genutzt werden, sagte Katrin Crameri. Sie ist Direktorin der «Swiss Personalized Health Network»-Initiative (SPHN) und arbeitet an einer gesamtschweizerischen digitalen Infrastruktur.

Warum sind die Gesundheitsdaten wichtig?

Catherine Jutzeler, Leiterin Biomedizinisches Datenwissenschaften Lab der ETH Zürich, analysiert Daten von Patientinnen und Patienten mit Rückenmarksverletzungen. Es sind zum Beispiel Blutwerte, Herzfrequenzen oder Vorerkrankungen, aber auch die medikamentöse Behandlung. «Wir arbeiten auf sicheren Plattformen, die speziell für hochsensitive Daten konzipiert wurden», sagte sie. Da Rückenmarksverletzungen zu den seltenen Erkrankungen gehören, sei sie in ihrer Forschung darauf angewiesen, viele Daten zu bekommen, nur so liessen sich besser Zusammenhänge herstellen, die letztlich wieder den Patientinnen und Patienten zugutekommen könnten.

«Wir arbeiten auf sicheren Plattformen, die speziell für hochsensitive Daten konzipiert wurden». Catherine Jutzeler

Auch Michael Krauthammer, Professor für Biomedizininformatik am Institut für Quantitative Biomedizin der Universität Zürich, sammelt Daten aus der Klinik. Es sind Daten über onkologische Erkrankungen wie Art des Krebses, welche Medikamente genommen werden oder welche Therapien zum Tragen kommen. Die vielen Daten, die sich daraus ergäben, werde von Künstlicher Intelligenz mittels Algorithmen analysiert. Daraus können sich neue Muster herauskristallisieren, die bisher noch nicht bekannt waren. Michael Krauthammer nennt als Beispiel das Tumor-Profiler-Projekt, das Tumoren in noch nie dagewesener Detailtreue analysiere. Das sei ein wichtiger Schritt hin zu einer personalisierten Krebstherapie.

«Die Datenanalyse mit Künstlicher Intelligenz ist ein wichtiger Schritt hin zu einer personalisierten Krebstherapie.» Michael Krauthammer

Mit vielen Daten und der Hilfe Künstlicher Intelligenz würden Dinge erkennbar, die zu neuen Erkenntnissen in der Medizin führen könnten, sagte Harald Gall, Dekan Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Zürich. Potential sehe er auch in den Daten aus persönlichen Fitnessgeräten, wie etwa Schrittzählern oder Schlaftrackern, auch sie könnten wertvolle Informationen liefern und der Prävention bestimmter Krankheiten dienen. «Die Digitalisierung wird die Medizin voranbringen», zeigte er sich überzeugt.

«Die Digitalisierung wird die Medizin voranbringen». Harald Gall

Sind die Daten geschützt?

Fragen zum Datenschutz treiben viele Menschen um. Auf die Frage, was die Hauptbedenken gegen Datenspenden in der Medizin seien, gab das Publikum an erster Stelle ungenügenden Datenschutz an. An zweiter Stelle wurden Ängste geäussert, dass man wegen der gespendeten Daten diskriminiert werden könne, etwa durch Versicherungen. An dritter Stelle standen Bedenken wegen einer möglichen Kommerzialisierung der Daten.

Die Expertinnen und Experten auf dem Podium relativierten: «Die Herausgabe von Gewebeproben erfolgt nach einem standardisierten Prozess, bei dem wissenschaftliche, rechtliche und ethische Aspekte berücksichtigt werden», sagte Krauthammer. «Es sind keine Rückschlüsse auf den Spender oder die Spenderin möglich.» Für die Datenverarbeitung benutze man eine sichere Computer-Infrastruktur, die den Datenzugang streng reguliere und damit erfolgreiche Hackerangriffe unwahrscheinlich mache.

Credits

Text: Marita Fuchs
Moderation: Beat Glogger
Fotos: Frank Brüderli