OBaris

Schmerzfreie Verabreichung von Medikamenten

Mit ihrem Saugnapf «OctoPatch» wollen Nevena Paunović und David Klein Cerrejon die Medikamenteneinnahme revolutionieren. Ihr Spin-off «OBaris» steht vor der ersten klinischen Studie.

Frau Paunović, Sie und David Klein Cerrejon haben aus Ihrer Doktorarbeit eine Geschäftsidee entwickelt.

Paunović: David und ich haben beide bei Prof. Jean-Christophe Leroux an der ETH Zürich für unsere Doktorarbeit geforscht. Er widmet sich der Entwicklung von Arzneistoffabgabesystemen. Bestimmte Arzneimittel, unter anderem Proteine und Peptide, werden schlecht über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen und müssen deshalb subkutan gespritzt werden. Dies bedeutet für viele Millionen Patientinnen und Patienten eine grosse Belastung bei der Verabreichung. Alternativen sind gefragt.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Medikamente über die Wangenschleimhaut zu verabreichen?

Paunović: Dazu gibt es eine lustige Anekdote. Während eines Hot-Pot-Abendessens mit Freunden blieb einem unserer Post-Docs ein halbes Szechuan-Pfefferkorn an der Wangeninnenseite hängen, wodurch die Schärfe des Pfeffers in seine Wange dringen konnte. Das brachte ihn auf die Idee mit dem Saugnapf.

Klein Cerrejon: Im Team entwickelten wir einen Prototypen, der sich an der Wange befestigen lässt und Medikamente über die Schleimhaut in den Blutkreislauf transportiert. Der Saugnapf, ähnlich wie beim Oktopus, haftet mittels Unterdrucks und lässt sich leicht anwenden. 2021 haben wir den OctoPatch patentieren lassen und seither viele Versuche an Geweben von Tieren durchgeführt. Ein Probelauf mit 40 freiwilligen Menschen ohne Verwendung eines Medikamentes verlief erfolgreich: Über 80 % zogen eine Saugnapfapplikation der Spritze vor.

Wo sehen Sie einen Markt für den OctoPatch?

Paunović: Der Saugnapf könnte bei Diabetes Typ 2, Übergewicht, Osteoporose und Prostatakrebs eingesetzt werden. Wir fokussieren uns aktuell auf die klinische Entwicklung von Semaglutid, das bei Diabetes Typ 2 und Übergewicht angewendet wird. Gleichzeitig möchten wir in Zusammenarbeit mit Pharmaunternehmen schmerz- und nadelfreie Alternativen für neue Medikamente anbieten. Besonders interessant sind sogenannte therapeutische Peptide, die derzeit ein Jahresvolumen von circa 40 Milliarden Franken ausmachen.

Vom Labor in die Realität: Wie wird der OctoPatch hergestellt und verwendet?

Klein Cerrejon: Die ersten Prototypen haben wir mit einem 3D-Drucker produziert. Für die endgültige Produktion nutzen wir ein Spritzgussverfahren mit Silikon. Der OctoPatch reduziert den Abfall im Vergleich zu Spritzen und wir arbeiten an einer vollständig biologisch abbaubaren Version.

Paunović: Wenn wir die Marktreife schaffen, erhalten die Patientinnen und Patienten den Saugnapf verpackt in einem Blister, ähnlich einer Tablette. Er wird einfach an die Wange gesetzt und mit zwei Fingern kurzzeitig zusammengedrückt. Er haftet mittels Unterdrucks und kann nach 10 – 30 Minuten entfernt werden. Die Medikamente gelangen direkt in die Blutbahn, sodass komplexe Dosierungsanweisungen wegfallen, wie beispielsweise morgens auf leeren Magen oder ein 30-minütiges Fasten im Anschluss an die Einnahme.

Wann reifte der Gedanke, ein Spin-off zu gründen?

Klein Cerrejon: Die Daten der Tierstudien mit dem ersten Prototypen übertrafen all unsere Erwartungen. Der Gedanke, ein Spin-off aus meiner Doktorarbeit zu gründen, war naheliegend, besonders da ich bereits eine NGO mitbegründet hatte und erleben durfte, wie viel man bewegen kann, wenn man leidenschaftlich für ein Thema brennt. Nevena und ich arbeiteten zu diesem Zeitpunkt schon seit mehr als zwei Jahren im selben Büro und mit ihrem Einstieg nach Abschluss ihrer Promotion legten wir dann den Grundstein für die Gründung von OBaris. Ihre Erfahrung im Umgang mit Patientinnen und Patienten sowie ihr Wissen über Eintrittshürden für Medikamente und Regulatory Affairs ergänzte meine Fähigkeiten und machten unser Team perfekt.

Seit Beginn der Gründungsphase unseres Spin-offs begleiteten uns Michio Painter und Liliane Brunner Halbach vom heutigen Translational Medicine Accelerator (TMA) der Universitären Medizin Zürich. Sie kennen die Industrie aus verschiedensten Blickwinkeln und haben ein enormes Know-how in Bezug auf Startups. Mit ihrer Expertise und dem weitreichenden Netzwerk haben sie uns dabei geholfen, unsere Strategie zu entwickeln und Partner zu finden.

Mittlerweile ist OBaris im BIO-TECHNOPARK in Schlieren angesiedelt, zusammen mit 50 anderen Unternehmen und wichtigen Branchenakteuren wie Roche. Wir sind derzeit dabei, das Produkt final zu optimieren und die Finanzierung der ersten klinischen Studien sicherzustellen. Wir sind sehr aufgeregt!

Wichtige Begriffe, kurz erklärt

Glossar

Peptide:
Kleinere Eiweisse (Proteine), deren Bausteine aus mehreren Aminosäuren bestehen, die durch Peptidbindungen verbunden sind

Subkutan:
Unter der Haut

Spin-off:
Zu Deutsch: Ableger, Ausgliederung einer Organisationseinheit aus bestehenden Strukturen, etwa einer Hochschule. Eine Forschungsgruppe wird aufgrund einer Gründung zu einem eigenständigen Unternehmen

Kontakt

David Klein Cerrejon
Nevena Paunović

OBaris

Wagistrasse 18
8952 Schlieren 

E-Mail

Translational Medicine Accelerator (TMA)

Von der Forschung zur Marktreife: Zürich bietet ideale Bedingungen für Spin-offs

Die Gründung eines Spin-offs beinhaltet typischerweise den Übergang von reiner Forschung zur Kommerzialisierung, was eine erhebliche Herausforderung darstellt. Dieser Prozess erfordert die Entwicklung einer marktfähigen Anwendung oder eines Produkts aus den Forschungsergebnissen. Dazu gehören Aspekte wie Produktentwicklung, Marktanalyse, Geschäftsmodellierung, Finanzierung, rechtliche Rahmenbedingungen und der Aufbau eines operativen Geschäfts. Das Überwinden dieser Hürden ist entscheidend, um aus einer wissenschaftlichen Idee ein erfolgreiches kommerzielles Unternehmen zu machen.

Gezielte Förderung erhöht die Wettbewerbsfähigkeit

Um die Lücke zwischen wissenschaftlicher Forschung und praktischer Anwendung zu schliessen, bietet die Universitäre Medizin Zürich (UMZH) interessierten Spin-offs mit dem Translational Medicine Accelerator (TMA) die Möglichkeit, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Indem der Entwicklungsprozess professionell begleitet und damit beschleunigt wird, können die Erfolgschancen medizinischer Innovationen im Markt erhöht werden. Der TMA bietet massgeschneiderte Beratung, unternehmerische Schulungen sowie Mentoring und bringt Gründerinnen und Gründer mit relevanten Akteuren aus der Industrie sowie mit Investoren zusammen. Besonders hervorzuheben ist der UZH Life Sciences Fund, der spezifische finanzielle Unterstützung für Spin-offs bereitstellt, um ihre Geschäftsstrategie zu entwickeln und ihre Projekte erfolgreich zu skalieren.

Der TMA hat in den letzten drei Jahren fast 100 Projekte unterstützt. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch SPARK ZURICH, ein vom TMA unterstütztes Mentoring-Netzwerk, das auf dem erfolgreichen und gleichnamigen Programm der Stanford University in den USA basiert. Gründer-Teams können ihre Projekte und Pläne präsentieren und vom Feedback eines externen Fachpublikums profitieren.

Der Wirtschaftsstandort Zürich ist einzigartig

Zürich selbst bietet als Standort ideale Bedingungen für innovative Life-Science-Unternehmen, die ein erfolgreiches Geschäft aufbauen möchten. Als Wirtschaftszentrum der Schweiz besticht die «Greater Zurich Area» durch eine hohe Dichte an kleinen Biotech-Unternehmen, etablierten Industriepartnern und modernster Laborinfrastruktur. Darüber hinaus bietet die Region den Zugang zum «Swissmedic Innovation Office», das Innovationen im Bereich der Medizinprodukte und Arzneimittel unterstützt. Durch die Förderung von Spin-offs entstehen nicht nur innovative Unternehmen, sondern auch hochqualifizierte Arbeitsplätze. Die Nähe zu führenden Hochschulen und renommierten universitären Spitälern steigert die Attraktivität zusätzlich. Besonders für Investoren sind die enge Zusammenarbeit mit global führenden Forschungseinrichtungen und der Zugang zu internationalen Märkten von Interesse.
Die Universitäre Medizin Zürich als Treibkraft in dieser dynamischen Innovationslandschaft trägt massgeblich zur Stärkung Zürichs als führendem Standort für medizinische Innovationen bei. Dies resultiert letztlich in einer signifikanten Verbesserung der Gesundheitsversorgung und unterstreicht die zentrale Rolle Zürichs im globalen Life-Science-Sektor.

Kontakt für Forschende, die ihr eigenes Spin-off gründen wollen:

TMA (Translational Medicine Accelerator UMZH)
Moussonstrasse 15
8044 Zurich

Michio Painter: E-Mail
Liliane Brunner Halbach: E-Mail