Zwei Forscherinnen holen Blutproben aus dem Labor-Gefrierschrank
Im Forschungslabor wird das Gangbild einer Patientin aufgezeichnet. StimuLOOP baut zunächst auf die Vermessung des Gehens. In einem Labor werden die Bewegungen der Studienteilnehmenden detailliert aufgezeichnet.
Im Operationssaal
Universitäre Medizin Zürich (UMZH)

Weltneuheit revolutioniert Wirbelsäulen-OP

Die Chirurgin oder der Chirurg operiert mit einer Augmented-Reality-Brille und besitzt damit eine Art Röntgenblick: Im Rahmen des SURGENT-Projektes wurden erstmals Wirbelsäulen-Operationen mit der neuartigen Technologie durchgeführt. Dank dieses wichtigen Schrittes in der Planung und Ausführung von Eingriffen soll die Lebens­qualität von Patientinnen und Patienten mit Rückenschmerzen nachhaltig verbessert werden.

Status: Forschung läuft
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Prof. Dr. med. Mazda Farshad
Medizinischer Spitaldirektor und
Direktor Wirbelsäulenzentrum
Universitätsklinik Balgrist und
Professor der Medizinischen
Fakultät Universität Zürich
+41 44 386 12 65
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Augmented Reality im Operations­saal

Professor Mazda Farshads Augen leuchten, wenn er von den ersten drei Patienten erzählt, die er im Rahmen einer klinischen Studie des SURGENT-Projektes der UMZH operiert hat. Farshad ist Wirbelsäulen­spezialist und Medizinischer Direktor der Universitätsklinik Balgrist und Professor der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich. «Allen drei Patienten geht es gut», erklärt er in seinem Spitalbüro, während er den Laptop startet, um die neue Technologie im Operationssaal mithilfe einer Computer­animation zu veranschaulichen. Farshad führt selber jährlich etwa 300 bis 400 Wirbelsäulenoperationen durch; insgesamt sind es an der Universitätsklinik Balgrist pro Jahr 1200.

Die drei erwähnten Patienten litten vor dem Eingriff unter Abnützungs­erscheinungen an der Wirbelsäule sowie unter starken Schmerzen und Sensibilitäts­störungen in den Beinen. Ihre Lebensqualität war ein­ge­schränkt, teilweise raubten ihnen die Schmerzen den Schlaf. Konventionelle Mittel wie die Abgabe von Schmerztabletten, das Spritzen von Cortison, Physiotherapie oder Rückenschulung hatten die Ärztinnen und Ärzte bereits ausgeschöpft. Als letzte Option blieb die Operation: Farshad und sein Team versteiften die Wirbelsäulen der Patienten an einzelnen Stellen mit Schrauben und Stäben. Dabei kam eine weltweit neue Technologie zum Einsatz.

Von Wissensdrang und Leidens­geschichten getrieben

Die detaillierte Auswertung der drei Eingriffe ist noch nicht abgeschlossen, das Projekt SURGENT befindet sich erst am Anfang. Doch Studienleiter Farshad hegt grosse Hoff­nungen: «Wir stehen vor einem potenziell wichtigen Evolutionsschritt in der Planung und Ausführung von chirurgischen Eingriffen», erklärt er. Professor Mazda Farshad fühlt sich von seinem Wissensdrang ebenso getrieben wie von den Leidens­geschichten der Patientinnen und Patienten in seiner Sprechstunde. Für einige Personen mit Rückenleiden ist er die erste Anlaufstelle. Andere wurden davor mehr als ein Dutzend Mal operiert, ohne dass ihnen dauerhaft geholfen werden konnte.

Die «erweiterte Realität» ergänzt die menschlichen Sinne

Die technologische Weltneuheit, die Farshad in einem Forschungs­netzwerk der Universitäts­klinik Balgrist, der Universität Zürich, des Universitätsspitals Zürich, sowie der ETH Zürich vorantreibt, beruht auf Augmented Reality. SURGENT steht für Surgeon Enhancing Technologies. Die «erweiterte Realität» ergänzt die Sinne der Chirurginnen und Chirurgen. Sie verleiht ihnen Fähigkeiten, die ihr Können und ihre Erfahrung optimieren. Farshad erklärt: «Ziel ist, die Operationen individueller, präziser und erfolgreicher planen und durchführen zu können. Profitieren werden die Patientinnen und Patienten. Wir wollen ihre Lebensqualität langfristig verbessern.»

Während einer Wirbelsäulenoperation an der Universitätsklinik Balgrist

Prof. Dr. Mazda Farshad führt selber jährlich etwa 300 bis 400 Wirbelsäulenoperationen durch; insgesamt sind es an der Universitätsklinik Balgrist pro Jahr 1200.

Von der Planung bis zur Ausführung

Das Projekt SURGENT, ein Flagship-Projekt der Hochschulmedizin Zürich, ist in zwei Teile gegliedert: Der erste Teil bezieht sich auf die Planung von chirurgischen Eingriffen an der Wirbelsäule. Die Planung soll künftig individuelle Faktoren der Patientinnen und Patienten stärker gewichten. In die Vorbereitung werden wie bisher Bildgebungsverfahren wie MRI, CT und Röntgenbilder einbezogen. Zusätzlich berücksichtigen die Operierenden aber weitere Faktoren, die bei jedem Menschen unterschiedlich sind. So können mithilfe von tragbaren Sensoren die Bewegungs­muster der Patientinnen und Patientenausgemessen und in die Operations­planung einbezogen werden. Der Winkel, in dem die Chirurgin oder der Chirurg Schrauben in den Knochen setzt, wird auf die individuelle Anatomie abgestimmt. Für diesen Teil des Projektes wurden bereits diverse Grundlagen erarbeitet; ein Antrag für eine klinische Studie soll demnächst folgen.

Der zweite Teil des SURGENT-Projektes zielt auf die Ausführung von Wirbel­säulen­operationen. Die klinische Studie dazu ist im Gange. Die Chirurgin oder der Chirurg trägt während der Operation eine spezielle Augmented-Reality-Brille, die zusätzliche visuelle Informationen ein­blendet: Das reale Bild von der Wunde, dem Gewebe, den Nerven oder den Knochen wird durch zusätzliche, individuell für die Patientin oder den Patienten generierte Bilder überlagert. Diese zeigen den Operierenden beispielsweise die Richtung an, in die sie die Schrauben setzen sollen. Eine mögliche Erweiterung sind akustische Informationen, die helfen, die einzelnen Operationsschritte gezielt und präzise durchzuführen.

Technik und Chirurgie verbinden

Eine wichtige Rolle spielt im Forschungs­netzwerk das Team von Mirko Meboldt, Professor für Produktentwicklung an der ETH Zürich. Seine Gruppe kümmert sich um die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. «Die Zusammenarbeit ist spannend und herausfordernd», sagt Meboldt. Beteiligt ist an der Entwicklung auch Philipp Fürnstahl, Leiter des ROCS-Forschungsteams an der Universitätsklinik Balgrist. ROCS bedeutet Research in Orthopedic Computer Science. Fürnstahl ist zudem Professor für Orthopädische Forschung mit Schwerpunkt auf der Anwendung von Computertechnologien an der Universität Zürich. Er erklärt: «Wir verbinden Technik und Chirurgie. Es braucht alle Parteien. Die Chirurgen bringen ihr klinisches Wissen ein und die Techniker setzen die Methoden um, die wiederum den Chirurgen helfen.»

Effizient dank der Zusammenarbeit des UMZH-Netzwerkes

Mazda Farshad unterstreicht, die Effizienz der Zusammenarbeit des Netzwerkes der Universitären Medizin Zürich (UMZH) sei international einzigartig. Eine Prognose, wann das SURGENT-Projekt abgeschlossen und die Technologie im chirurgischen Alltag etabliert sein werden, mag er noch nicht stellen. Er sagt nur so viel: «Es könnte schneller gehen, als wir denken!»

Im Gespräch mit...

Hören

Mazda Farshad

«Die Technologie ermöglicht uns eine individuell abge­stimmte Behandlung»

Prof. Dr. med. Mazda Farshad ist Chefarzt für Wirbelsäulenchirurgie und Orthopädie, Direktor des Wirbelsäulenzentrums an der Universitätsklinik Balgrist und Professor der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich.

Mazda Farshad
7:41

Mirko Meboldt

«Unsere Aufgabe ist es, die Interaktion zwischen Mensch und Maschine zu verbessern»

Prof. Dr. Mirko Meboldt ist Professor für Produkt­entwicklung und Konstruktion an der ETH Zürich.

6:09

Philipp Fürnstahl

«Wir statten die Chirurginnen und Chirurgen mit einem Röntgen­blick aus»

Prof. Dr. Philipp Fürnstahl ist Professor für Orthopädische Forschung mit Schwerpunkt der Anwendung in Computer Sciences der Universität Zürich und Leiter des ROCS-Teams an der Universitätsklinik Balgrist.

Philipp Fürnstahl
6:01
Im OP mit Mazda Farshad

Sehen

Detailansicht der Operation

Technologie und Innovation für eine bessere Patientenversorgung

7:07
Von der Forschung in die Praxis

Service

Leiden Sie an Rücken- oder Nackenschmerzen
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Sprechstunde Universitätsklinik Balgrist

Mazda Farshad gibt seinem Team Anweisungen während der OP
Einblick in den OP-Saal während der Operation
Mazda Farshad trägt bei der OP eine Augmented Reality Brille
Detailansicht der Operation
Mazda Farshad gibt seinem Team Anweisungen während der OP
Einblick in den OP-Saal während der Operation
Mazda Farshad trägt bei der OP eine Augmented Reality Brille
Detailansicht der Operation
Wichtige Begriffe, kurz erklärt

Glossar

SURGENT:
Name des Projektes, Abkürzung von: SURGeon ENhancing Technologies. Eine Technologie, welche die Fähigkeit der Chirurgin oder des Chirurgen erweitert.

Augmented Reality:
Bedeutet «erweiterte Realität». Dabei unterstützt die Technologie die Chirurgin oder den Chirurgen, indem sie die Wahr­nehmungsfähigkeit von deren Sinnen erweitert. Die Orthopädie ist besonders geeignet für die Anwendung der erweiterten Realität. Grund dafür ist, dass sich Knochen während der Operation kaum bewegen, wodurch ein Abgleich mit vorher erstellten CT-Aufnahmen einfacher möglich ist.

Orthopädie:
Die Wissenschaft von der Erkennung und Behandlung angeborener oder erworbener Fehler des menschlichen Bewegungs­apparates.

CT = Computertomografie:
Eine Röntgenuntersuchung, welche detaillierte Schnittbilder von Organen wie beispielsweise des Gehirns liefert. Aber auch Knochen und Gelenke lassen sich gut darstellen, um Erkrankungen und Ver­letzungen zu erkennen. Diese sogenannte bildgebende Diagnostik wird von Radiologinnen und Radiologen durchgeführt.

MRT = Magnetresonanztomografie:
Erzeugt Schnittbilder durch den menschlichen Körper. Im Gegensatz zu anderen Methoden werden Magnetfelder anstelle von Röntgenstrahlen verwendet. Schädliche Wirkungen sind nicht bekannt. Diese Methode wird oft auch MRI genannt (aus dem Englischen: Magnetic Resonance Imaging).

Wer finanziert dieses Projekt mit? (in Mio. CHF)

Hochschulmedizin Zürich (HMZ)
Die Laufzeit der Projektförderung
dauert von 2018 bis 2021

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Credits

Text und Audio: Rebekka Haefeli
Fotos: Tagesanzeiger, Sabina Bobst
Universität Zürich: Mazda Farshad, Philipp Fürnstahl
Universitätsklinik Balgrist: Mazda Farshad, Philipp Fürnstahl
ETH Zürich: Mirko Meboldt, Marc Pollefeys
Hochschulmedizin Zürich: Corina Schütt