
Prof. Dr. med. Oliver Distler
Klinikdirektor, Klinik für Rheumatologie
Universitätsspital Zürich
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Universitätsspital Zürich
Universität Zürich
ETH Zürich
«Ich habe systemische Sklerose. Das ist eine Autoimmunerkrankung, bei der mein Immunsystem körpereigenes Gewebe angreift. Meine Haut ist an vielen Stellen hart und unbeweglich geworden, vor allem an den Händen. Bei Kälte werden meine Finger schnell weiss oder blau – das nennt man Raynaud. Ich bin oft müde, und meine Lunge macht mir manchmal Probleme beim Atmen.» So könnte eine Betroffene ihre Krankheit beschreiben. Die systemische Sklerose (SSc) zählt zu den seltenen Autoimmunerkrankungen, doch sie gehört zu den gefährlichsten unter den rheumatologischen Erkrankungen. Ihre Symptome reichen von Durchblutungsstörungen und verhärteter Haut über Entzündungen bis hin zu schweren Lungenschäden und Organversagen. Die Diagnose erfolgt häufig spät. Eine Therapie, welche die Krankheit vollständig aufhält, gibt es bislang nicht.
Am Universitätsspital Zürich arbeitet der Rheumatologe und Professor der Universität Zürich Oliver Distler daran, das zu ändern. Gemeinsam mit einem interdisziplinären Team erforscht er die Vorstadien der Erkrankung und entwickelt Methoden, mit denen sich Risiko, Verlauf und Therapiechancen individueller vorhersagen lassen sollen. Im Fokus steht das vom translationalen Forschungszentrum The LOOP Zurich unterstützte Projekt «PREVENT-SSc», das Distler leitet. Es verfolgt einen präzisionsmedizinischen Ansatz – und ist in zwei zentrale Phasen unterteilt:
Ein Schlüsselmoment in der Forschung ist die Erkenntnis, dass sich die Vorform der systemischen Sklerose molekular deutlich von der fortgeschrittenen unterscheidet. Distler formuliert es so: «Wenn die Lunge bereits betroffen ist, ist es für viele therapeutische Ansätze zu spät. Deshalb müssen wir den Fokus auf das Vorstadium richten – dort, wo sich die Weichen stellen.» Bereits heute lassen sich bestimmte Frühzeichen messen. Darunter:
Anhand dieser Marker kann das Zürcher Forschungsteam mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen, ob eine Person innerhalb der nächsten Jahre an systemischer Sklerose erkranken wird. Die Grundlage bilden Daten einer von Distler aufgebauten Kohorte mit über 200 Betroffenen im Frühstadium. «Wir brauchen Studien, die sich gezielt auf die Frühformen konzentrieren», sagt Distler. «Das nehmen wir jetzt in den Blick.»
Doch Prädiktion allein reicht nicht aus. Im zweiten Teil des Projekts geht es darum, molekulare Schlüsselfaktoren zu identifizieren, die den Krankheitsverlauf beeinflussen und potenziell therapeutisch nutzbar sind. Dazu kommen sogenannte High-Omics-Verfahren zum Einsatz: modernste Technologien aus der Genetik, Proteinforschung und Zellbiologie. Dazu gehören:
Distler hat ein Team von Forschenden zusammengestellt, die an den verschiedenen Punkten arbeiten. Ein Team an der ETH Zürich untersucht beispielsweise die mechanischen Eigenschaften der Haut. Eine weitere Forscherin misst das LOX-Enzym, das mit der Bindegewebsbildung zusammenhängt. Parallel entwickeln Bioinformatikerinnen und -informatiker Vorhersagemodelle auf Basis Hunderter klinischer und biologischer Parameter – mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen.
Das Projekt «PREVENT-SSc» ist zunächst auf drei Jahre angelegt. Ziel ist ein belastbares Vorhersagemodell, das individuelle Risikoprofile erstellt und Hinweise darauf gibt, ob und wann eine präventive Behandlung sinnvoll sein könnte. Doch damit endet die Arbeit nicht. Im nächsten Schritt sollen konkrete therapeutische Interventionen entwickelt und getestet werden – etwa Medikamente, die bislang nur bei fortgeschrittener Erkrankung eingesetzt werden. Dazu zählt auch Nintedanib, ein Wirkstoff, an dessen Entwicklung Distler selbst beteiligt war. Es kann die Lungenfibrose verlangsamen, doch bisher nur im Spätstadium.
Die Klinik für Rheumatologie im Universitätsspital Zürich hat sich in den vergangenen Jahren zu einem international führenden Standort entwickelt. Die Klinik von Oliver Distler zählt zu den forschungsstärksten Einrichtungen weltweit im Bereich der systemischen Sklerose – gemessen an Publikationen, internationalen Kooperationen und Innovationskraft. Nachwuchsforschende aus aller Welt kommen hierher, um von der Zürcher Expertise zu lernen. Und vielleicht gelingt, was lange unmöglich schien: Die systemische Sklerose aufzuhalten – noch bevor sie beginnt.
Systemische Sklerose: 
Sprechstunde am Universitätsspital Zürich 
The LOOP Zurich
Die Projektförderung
startete 2024 
Text: Marita Fuchs
Foto: Frank Brüderli
Video: Frank Brüderli
Universitätsspital Zürich: Oliver Distler, Dobrota Rucsandra
Universität Zürich: Christian Stockmann
ETH Zürich: Helma Wennemers, Sabine Werner, Edoardo Mazza
Universität Freiburg: Jörn Dengjel