Lucas Pelkmans und Michael Zering sind die Köpfe hinter Apricot BIO, einem Spin-off der Universität Zürich. Sie haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich in kurzer Zeit das genau passende Medikament für Krebspatientinnen und -patienten bestimmen lässt. Ärztinnen und Ärzte erhalten dadurch wertvolle Hinweise für eine personalisierte medikamentöse Behandlung.
Herr Pelkmans, Herr Zering, können Sie beschreiben, was genau Ihr Spin-off leistet?
Michael Zering: Apricot entwickelt eine Technologie, mit der wir zum Beispiel im Tumorgewebe sichtbar machen können, wie Krebszellen auf bestimmte Medikamente reagieren. Ziel ist es, innerhalb weniger Tage personalisierte Therapieempfehlungen abzugeben – schneller und präziser als mit herkömmlichen Methoden. Die Plattform kommt in der klinischen Entscheidungsfindung ebenso zum Einsatz wie in der Medikamentenentwicklung. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit mit dem Tumor-Profiler-Center. Unsere Technologie konnte dort helfen, das jeweils am besten geeignete Medikament für die individuelle Patientin, den individuellen Patienten zu identifizieren. Die Ergebnisse haben wir in der Regel innerhalb von fünf bis sieben Tagen an die behandelnden Ärztinnen und Ärzte weitergegeben.
Wie ist es möglich, in so kurzer Zeit das möglichst passende Medikament zu identifizieren?
Lucas Pelkmans: Wir haben Apricot BIO im September 2022 gegründet. Aber unsere Technologie hat eine ziemlich lange Vorgeschichte. In meinem Labor an der Universität Zürich (UZH) entwickeln wir seit längerer Zeit Methoden, die auf bildgebender Mikroskopie basieren, in Kombination mit maschinellem Lernen. Auf diesem Gebiet waren wir Pioniere. In meiner Forschung an der UZH wendet unser Team bereits seit 2005 maschinelles Lernen an. Wir waren also tatsächlich eines der ersten Labore in Europa, die rechnerische Methoden und künstliche Intelligenz (KI) nutzten, um Informationen aus Bildern von biologischen Proben wie Zellen oder Gewebe zu bekommen und das in kurzer Zeit.
Mit welchen Verfahren arbeiten Sie konkret?
Pelkmans: Unsere Technologie basiert auf zwei zentralen Verfahren: Zum einen nutzen wir die sogenannte 4i-Methode – das steht für «iterative indirekte Immunfluoreszenzbildgebung». Damit können wir sehr viele biologische Merkmale einzelner Zellen gleichzeitig sichtbar machen. Zum anderen arbeiten wir mit Drug Response Profiling, kurz DRP – das ist ein funktioneller Ansatz der Präzisionsmedizin. Dabei geht es nicht nur darum, Eigenschaften der Zellen zu messen, sondern vor allem zu beobachten, wie sie konkret auf verschiedene Medikamente reagieren. Aus diesen Reaktionen erstellen wir dann ein detailliertes Arzneimittelreaktionsprofil – also eine Art Wirkstoff-Landkarte für jede einzelne Probe.
Zering: Ich möchte einen Vergleich ziehen: Man kann sich diese bildbasierte Systembiologie vorstellen wie ein Google Maps für Zellen. Statt Stadtteile und Strassenzüge zu kartieren, erstellen wir eine hochauflösende Landkarte des Zellinneren und auch der Zellumgebung. Mit automatisierten Mikroskopen und KI-gestützter Bildanalyse werden unzählige Zellbilder aufgenommen und ausgewertet – wie Satellitenbilder, nur im Mikromassstab. So erkennen wir, wie sich die Zellstruktur verändert, wenn etwa ein Medikament ins Spiel kommt – ähnlich wie Google Maps zeigen wir, wo sich der Verkehr staut oder fliesst. Mehr Informationen ergeben einen grösseren Kontext und führen zu besseren Entscheidungen.
Wann entschieden Sie sich dazu, den Schritt vom Labor in die Praxis zu gehen und Ihr Spin-off zu gründen?
Zering: Lucas und ich haben uns über unser Nachbarschaftsnetzwerk in Zürich kennengelernt. In vielen persönlichen Gesprächen wurde schnell deutlich, dass seine Forschung grosses Potenzial hat, wirklich etwas zu bewegen. Er bringt das fundierte wissenschaftliche Know-how aus der Forschung mit. Meine Stärke liegt in der unternehmerischen Sichtweise, ich denke in Geschäftsmodellen und habe ein Gespür für Umsetzung und Tempo. Uns beiden war klar: Die Krebsversorgung ist ein Feld mit vielen komplexen Strukturen – und wir haben eine Chance gesehen, neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis zu bringen, um die Versorgung von Patientinnen und Patienten spürbar zu verbessern. Die Gründung von Apricot BIO war kein spontaner Entschluss, sondern ein bewusst geplanter Schritt.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten konkret ab?
Pelkmans: Wir verstehen uns als Dienstleister – unsere Aufgabe ist es, Onkologinnen und Onkologen zu unterstützen. Unsere Plattform analysiert, wie das Tumorgewebe ex vivo – also unter Laborbedingungen – auf verschiedene Medikamente reagiert. So können Onkologinnen und Onkologen gezielt diejenigen Therapien priorisieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit wirksam sind – und genauso wichtig: auch jene identifizieren, bei denen ein Erfolg eher unwahrscheinlich ist. Diese vorausschauende Einschätzung ermöglicht es dem Behandlungsteam, wertvolle Zeit zu sparen und frühzeitig alternative Optionen in Betracht zu ziehen.
Wie viele Medikamente testen Sie, wenn Sie eine Gewebeprobe erhalten?
Zering: Je nach Tumorart und der verfügbaren Menge an Proben kann unsere Plattform bis zu 50 klinisch zugelasseneMedikamente testen. Welche Wirkstoffe konkret geprüft werden, hängt von der jeweiligen Krebsart und dem Studiendesign ab. Die Ergebnisse stellen wir innerhalb kurzer Zeit zur Verfügung – die endgültige Therapieentscheidung trifft selbstverständlich das behandelnde Ärzteteam.
Sie generieren viele wissenschaftlich wertvolle Daten, was geschieht damit?
Pelkmans: Wir erzeugen bei unseren Analysen sehr viele sogenannte phänotypische Daten – das heisst, wir beobachten genau, wie sich einzelne Zellen verhalten, wie sie aussehen, welche Proteine sie zeigen oder wie sie auf bestimmte Medikamente reagieren. Man kann sich das vorstellen wie die Körpersprache der Zelle: Ohne dass wir ihr genetisches Innenleben verändern, sehen wir von aussen, wie sie sich «verhält». Aus diesen Informationen erstellen wir ein Reaktionsprofil – das hilft nicht nur bei der Behandlung einzelner Patientinnen und Patienten, sondern liefert auch der Forschung wichtige Hinweise darüber, wie bestimmte Tumoren funktionieren. Die Daten werden anonymisiert gespeichert und können in Zukunft auch genutzt werden, um Modelle für neue Medikamente oder Therapieansätze zu entwickeln.
Wie profilieren Sie Ihr Unternehmen und wie läuft die Finanzierung?
Zering: Wir entwickeln eine Plattform für Präzisionsonkologie, die funktionelle Einblicke liefert, wie individuelle Tumore auf verschiedene Therapien ansprechen – und so Ärztinnen und Ärzten hilft, schneller und fundierter über Behandlungsoptionen zu entscheiden. Aus Gründerperspektive sind wir stolz darauf, bereits Umsätze zu erzielen und mit einer wachsenden Zahl klinischer und wissenschaftlicher Partner zusammenzuarbeiten – in der Schweiz ebenso wie international. Wir bleiben nah an der Praxis: Wir stehen im regelmässigen Austausch mit Onkologinnen und Onkologen, Kliniken und führenden Meinungsbildnern, die direkt mit unserer Technologie arbeiten und wertvollen Input für ihre Weiterentwicklung geben. Unser Fokus liegt nun auf dem nächsten Meilenstein, den wir bis Ende 2026 erreichen wollen – dazu gehören die klinische Validierung, die Skalierung und die Vorbereitung für eine breitere Anwendung. Wir hatten das grosse Glück, von der Universität Zürich, dem Translational Medicine Accelerator (TMA) und Unitectra unterstützt zu werden – ihre Expertise und Ressourcen waren entscheidend dafür, dass wir den Schritt aus der Forschung in die Anwendung geschafft haben. Und was das Thema Finanzierung angeht – sagen wir es so: Die letzten zwei Jahre haben uns gezeigt, dass wissenschaftliche Exzellenz und unternehmerische Widerstandsfähigkeit Hand in Hand gehen müssen.
Noch eine Frage zum Firmennamen, hat er etwas mit Aprikosen zu tun?
Zering: Der Ursprung des Namens ist eigentlich ziemlich technisch – «Apricot» war der interne Name eines Prototypenmikroskops, das wir in der frühen Entwicklungsphase verwendet haben. Mit der Zeit hat der Name aber einetiefere Bedeutung bekommen: In Ostasien gilt der Aprikosenbaum traditionell als Symbol medizinischen Wissens. Es gibt da eine Legende über Dong Feng, einen Arzt aus der Zeit der Drei Reiche (ca. 220 – 280 n.Chr.) Der Überlieferung nach bat er geheilte Patientinnen und Patienten, einen Aprikosenbaum zu pflanzen, statt ihm Geld zu geben. Sein Obstgarten wurde zum Symbol für Heilung – und dieser Gedanke von medizinischer Wirksamkeit und Verantwortung passt gut zu dem, was wir in der Präzisionsonkologie anstreben.
Prof. Dr. Lucas Pelkmans (Department of Molecular Life Sciences, Universität Zürich, Chairman & Gründer Apricot BIO)
Michael Zering (CEO Apricot BIO)
Apricot Therapeutics AG
Winterthurerstrasse 190
8057 Zurich, Switzerland
E-Mail
Die Gründung eines Spin-offs beinhaltet typischerweise den Übergang von reiner Forschung zur Kommerzialisierung, was eine erhebliche Herausforderung darstellt. Dieser Prozess erfordert die Entwicklung einer marktfähigen Anwendung oder eines Produkts aus den Forschungsergebnissen. Dazu gehören Aspekte wie Produktentwicklung, Marktanalyse, Geschäftsmodellierung, Finanzierung, rechtliche Rahmenbedingungen und der Aufbau eines operativen Geschäfts. Das Überwinden dieser Hürden ist entscheidend, um aus einer wissenschaftlichen Idee ein erfolgreiches kommerzielles Unternehmen zu machen.
Gezielte Förderung erhöht die Wettbewerbsfähigkeit
Um die Lücke zwischen wissenschaftlicher Forschung und praktischer Anwendung zu schliessen, bietet die Universitäre Medizin Zürich (UMZH) interessierten Spin-offs mit dem Translational Medicine Accelerator (TMA) die Möglichkeit, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Indem der Entwicklungsprozess professionell begleitet und damit beschleunigt wird, können die Erfolgschancen medizinischer Innovationen im Markt erhöht werden. Der TMA bietet massgeschneiderte Beratung, unternehmerische Schulungen sowie Mentoring und bringt Gründerinnen und Gründer mit relevanten Akteuren aus der Industrie sowie mit Investoren zusammen. Besonders hervorzuheben ist der UZH Life Sciences Fund, der spezifische finanzielle Unterstützung für Spin-offs bereitstellt, um ihre Geschäftsstrategie zu entwickeln und ihre Projekte erfolgreich zu skalieren.
Der TMA hat in den letzten drei Jahren fast 100 Projekte unterstützt. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch SPARK ZURICH, ein vom TMA unterstütztes Mentoring-Netzwerk, das auf dem erfolgreichen und gleichnamigen Programm der Stanford University in den USA basiert. Gründer-Teams können ihre Projekte und Pläne präsentieren und vom Feedback eines externen Fachpublikums profitieren.
Der Wirtschaftsstandort Zürich ist einzigartig
Zürich selbst bietet als Standort ideale Bedingungen für innovative Life-Science-Unternehmen, die ein erfolgreiches Geschäft aufbauen möchten. Als Wirtschaftszentrum der Schweiz besticht die «Greater Zurich Area» durch eine hohe Dichte an kleinen Biotech-Unternehmen, etablierten Industriepartnern und modernster Laborinfrastruktur. Darüber hinaus bietet die Region den Zugang zum «Swissmedic Innovation Office», das Innovationen im Bereich der Medizinprodukte und Arzneimittel unterstützt. Durch die Förderung von Spin-offs entstehen nicht nur innovative Unternehmen, sondern auch hochqualifizierte Arbeitsplätze. Die Nähe zu führenden Hochschulen und renommierten universitären Spitälern steigert die Attraktivität zusätzlich. Besonders für Investoren sind die enge Zusammenarbeit mit global führenden Forschungseinrichtungen und der Zugang zu internationalen Märkten von Interesse.
Die Universitäre Medizin Zürich als Treibkraft in dieser dynamischen Innovationslandschaft trägt massgeblich zur Stärkung Zürichs als führendem Standort für medizinische Innovationen bei. Dies resultiert letztlich in einer signifikanten Verbesserung der Gesundheitsversorgung und unterstreicht die zentrale Rolle Zürichs im globalen Life-Science-Sektor.